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Brahms-Portrait |
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Impulse in Winsen, Seite 5 |
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von Martin Teske |
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In den 80er Jahren verschlägt es Brahms nach
Meiningen. Er ist Gast beim Fürsten Georg II. und seiner Frau,
der Freifrau von Heldburg.
Brahms genießt die schöne Landschaft und die Ungezwungenheit
bei Hof in diesem Kleinfürstentum. Nach einem Morgenspaziergang
ruft Brahms dem Landesherrn ironisch zu: "Ach Hoheit, ich habe
vor dem Frühstück noch schnell einen kleinen Spaziergang
durch
die benachbarten Fürstentümer gemacht!" Er freut sich
kindlich über zwei Orden, die er vom Meininger Fürsten verliehen
bekommt. |
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Siegelmarke der
Königlichen Universität Breslau |
Die Komplimente von Freunden sind ihm mehr wert als
große öffentliche Ehrungen. Längst ist er zum Doktor ehrenhalber ernannt
worden,
und zwar im Jahr 1879 von der Universität Breslau. Brahms dankt
diese Ehre
auf seine Weise, nämlich mit der Akademischen Festouvertüre
Opus 80,
in der er gleich mehrere Studentenlieder verarbeitet: "Ich hab
mich ergeben", "Der Landesvater", "Was kommt dort von der Höh" und
endlich das "Gaudeamus igitur", mit dem das Werk rauschend abschließt. |
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Als ihm die Universität Cambridge den Doktorhut
aufsetzen will, lehnt er ab:
"Bedenken Sie vor allem freundlich: Ich kann nicht nach Cambridge gehen,
ohne auch London zu besuchen, in London aber wie vieles zu besuchen
und mitzumachen - das alles aber im schönen Sommer, wo es auch
Ihnen
gewiß sympathischer wäre, mit mir an einem schönen
italienischen See zu spazieren..." |
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Brahms wird bequem, als er sich's leisten kann. Er
pflegt einen festen
Freundeskreis, dem durchaus nicht nur Musiker angehören, sondern
beispielsweise auch der Mediziner Theodor Billroth. Mit ihm hat Brahms
schon 1878 seine erste Italienreise unternommen. Insgesamt reist er
neunmal
nach Italien und Sizilien. |
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Außer diesen privaten Reisen ist er im Grunde
nur dienstlich unterwegs. Auf einer solchen Dienstreise trifft er in
Bad Ischl Johann Strauß und genießt dessen Musik. Unter
den Walzer "An der schönen blauen Donau" schreibt er: "Leider
nicht von Johannes Brahms." |
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Brahms ist in die Jahre gekommen. Aus dem Vagabunden
ist ein behäbiger Bürger geworden, der allabendlich im "Roten
Igel" zu Wien
seinen Dämmerschoppen nimmt, stets die geliebte Zigarre im Mund,
die in früheren Zeiten sogar während des Klavierunterrichts
qualmte. |
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Der Komponist ordnet seinen Nachlaß. "Viel
zerrissenes Notenpapier habe ich zum Abschied von Ischl in die Traun
geworfen", schreibt er 1890. Nichts Unfertiges soll ein Gesamtwerk
belasten. |
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Am 20. Mai 1896 stirbt Clara Schumann,
mit der er sich in den letzten Jahren versöhnt hat. Brahms reist
zu ihrer Beerdigung. Als er nach Ischl zurückkommt, ist er krank,
hat die "kleine bürgerliche Gelbsucht", wie Ärzte
attestieren. Die Diagnose ist falsch, es ist Leberkrebs. Brahms setzt
ein Testament auf, schreibt es aber nicht von eigener Hand ab, weil
er damit die Todeskrankheit anerkannt hätte. Ein jahrelanger Prozeß um
die Erbschaft ist die Folge. |
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Als es mit ihm zu Ende geht, sind alle
seine Freunde zur Stelle. Am 3. April 1897 stirbt Brahms in seiner
Wohnung in der
Karlsgasse 4 in Wien. |
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Ein Zeitzeuge beschreibt den letzten Besuch
des todkranken und alten Komponisten in einem Philharmonischen Konzert
so: "Hans Richter führt die vierte Symphonie auf und macht
in einer vollendeten monumentalen Wiedergabe die erste lieblose und
nachlässige Aufführung gut. Das Publikum tobt in Begeisterung.
Aber da Richter nach der Loge zeigt, in der man jetzt erst den todblassen
Brahms entdeckt, bricht ein Orkan los, der sich nach jedem Satz steigert;
es ist ein betäubendes Rufen, Schreien, Klatschen, die Leute steigen
auf die Sitze, um die Leidensgestalt des furchtbar verheerten Meisters
besser zu sehen, man winkt ihm mit Tüchern und Hüten zu,
immer wieder muß er an die Logenbrüstung treten, und am
Schluß will der gewaltige Jubel überhaupt kein Ende mehr
nehmen - die Menschen unten wissen, sie sehen Brahms zum letzten Mal,
und Brahms weiß es auch." |
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Noch kurz vor seinem Tode denkt der große alte
Mann gerne an seine karge, aber doch helle Jugend in Hamburg und Winsen
zurück:
"Und ich habe es doch ganz gut vertragen; ja ich möchte diese Zeit
der Dürftigkeit um keinen Preis in meinem Leben missen, denn ich
bin überzeugt, sie hat mir wohlgetan und war zu meiner Entwicklung
nötig." |
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"Tief innen im Menschen spricht und treibt oft
etwas, uns fast unbewußt, und das mag wohl bisweilen als Gedicht
oder Musik ertönen."
So begründet Brahms sein Lebenswerk. Das Lied wird ihm zur Quelle
allen Schaffens. "Die schönsten Lieder kamen mir, wenn ich
früh vor Tag meine Stiefel wichste", sagt er einmal. |
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Im Alltag bilden sich die großen
Themen seiner Sinfonien, die Linien seiner Chor-Orchester-Werke. Er
bewegt die Entwürfe
lange in
seinem Herzen, bevor er sie zu Papier bringt. Fast 20 Jahre hat er
sich mit seiner ersten Symphonie beschäftigt, bevor er sie mit
43 Jahren
zu Papier bringt. Die Klavier- und Violinkonzerte werden bis heute
häufig gespielt, weniger bekannt ist heute seine Bläsermusik.
Sonaten, Serenaden, Quartette, ein Quintett, ein Sextett, Fantasien,
Capricen, Variationen, Scherzien, Balladen, die berühmten
Ungarischen Tänze, Choralvorspiele, ein Requiem. |
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In fast jeder musikalischen Gattung hat
Brahms seine Spuren hinterlassen. In fast jeder: nur nicht in der Oper.
Lange hat er überlegt, ob er eine Oper schreiben solle. Er hat
die Finger davon gelassen, weil er gestelzte Dramatik nicht leiden
konnte. |
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"Ruhig in der Freude und ruhig im
Schmerz ist der wahrhafte Mensch. Leidenschaften müssen bald vergehen,
oder man muß sie bald vertreiben", hat er Clara Schumann
geschrieben. Nur aus dieser inneren Abgeklärtheit ist die Wucht
seines Gesamtwerkes zu erkennen. |
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